Erinnerungen an Lauenbrunn von Kurt Schüttler


Lauenbrunn, ein Waldhufendorf 

Deutsche aus den sächsischen und fränkischen Provinzen zogen über die Mark Meißen in das Oderland, nachdem im Jahre 1000 n.Chr. das Bistum Breslau gegründet worden war. 

Mit der Gründung des Benediktinerklosters Leubus im Jahre 1150, 1163 mit deutschen Mönchen besetzt, wurde die Zeit der Klostergründungen im Oderland eingeleitet. In rascher Folge gründeten die Prämonstratenser ein Kloster in Breslau, die Johanniter 1184 in Glatz, Löwenberg und Warmbrunn. Dem Leubuser Kloster wurde nach vollständiger Besetzung des Konvents 1175 im Stiftungsbrief aufgetragen, seine Güter mit deutschen Siedlern zu besetzen. Bereits um 1109 hatten flämische Ritter und Kirchenleute in Gorkau am Zobten ein Kloster errichtet. Wallonen ließen sich in Breslau nieder. Sie wohnten auf der späteren Taschenstraße und der Wallonenstraße. Ritter Albert, der erste in Tepliwoda genannte Grundherr, stammte von der Wallonenstraße. (1) 

Wie wir aus dem Heinrichauer Klostergründungsbuch wissen, erfolgte die Aussetzung unseres Dorfes und der Dörfer Zinkwitz und Kaubitz um 1242 zu deutschem Recht. Neben den bestehenden kleinen slawischen Siedlungen erhielten die durch einen Lokatoren (Siedlungsunternehmer) herangeführten Bauernfamilien ihre Hufen zugeteilt. Wie die anderen Dörfer unseres Kreisgebietes erfolgte die Dorfanlage als "Waldhufendorf". Aus der Rechteckfläche des Siedlungsgebietes wurden beiderseits der Straße, dem Lauf der "kleinen Lohe" folgend, im Abstand von ca. 100 Metern die Gehöfte abgesteckt und das dahinter liegende Land in einer Tiefe von ca. 2300 Metern dem Siedler zugeteilt. Das entsprach mit 24,0 ha der fränkischen Hufe. Die Hufe, auch Hube, ist das alte germanische Flächenmaß. Ihre Größe ist umstritten. Man unterschied die kleine flämische Hufe von der weit größeren fränkischen oder Königshufe. Die Hufe war so gestaltet, daß sie zum Lebensunterhalt einer Familie ausreichte und mit einem Pferd zu bestellen war (vier Hufe eines Pferdes). Dabei ist zu berücksichtigen, daß im Mittelalter nur ein Teil der Flächen unter dem Pflug war (Dreifelderwirtschaft, Brache). Das meist bewaldete Grundstück mußte gerodet werden, und an der Stirnseite der Hufe standen die Gebäude im Viereck. Wohnung und Stall befanden sich unter einem tief herabhängenden Schobendach, die Scheunen baulich davon getrennt, alles in Fachwerk-Bindwerk. Die Hube oder Hufe reichte von der Dorfstraße bis an die Gemarkungsgrenze und konnte deshalb durch Rodung jederzeit erweitert werden. An der Meßtischkarte unseres Ortes kann man heute nach 700 Jahren noch leicht die Dorfanlage verfolgen. Der freie deutsche Bauer zahlte nach einer Anzahl von Freijahren dem Grundherrn für die Hube 1/4 Mark Grundzins und der Kirche den üblichen Zehnt (Garbenzehnt). Die Abgabe der zehnten Garbe wurde kurze Zeit später in das Meßkorn umgewandelt. Es betrug bei uns zwei Scheffel von der Hufe (1 Scheffel ca. 20 kg). (2)

Die deutschen Siedler und auch die in der Dorfgemeinschaft verbliebenen Slaven unterstanden dem deutschen Recht. Sie hatten die untere Gerichtsbarkeit durch Scholzen und Schöffen in eigener Hand. Die höhere Gerichtsbarkeit lag bei dem Adel und vielerorts bei den Kirchen. 

Die Kirche erhielt als "Pfarrwidmuth" wie die anderen Siedler eine Hufe zugewiesen, die vom Pfarrer bewirtschaftet wurde. 

Der Lokator, der in Absprache mit dem Grundherren die Dorfanlage organisiert hatte, wurde in der Regel zum Dorfscholzen eingesetzt. Das Amt war fast immer erblich. Deshalb auch der Name Erbscholtisei, den man in vielen Dörfern Schlesiens noch fand. Bei uns war die Scholtisei aller Wahrscheinlichkeit nach das Freigut Stanke. Der "Scholze" erhielt je nach Vereinbarung für seine Arbeit einige Freihufen. Bei der Größe unseres Dorfes wird die Scholtisei mindestens 6 Hufen, also 500-600 Morgen groß gewesen sein. Als Vorsitzender des Dorfgerichts erhielt er den dritten Pfennig von den eingehenden Strafgeldern. Außer der Zinsfreiheit wurden dem Scholten darüber hinaus weitere Rechte eingeräumt. Er durfte einen Kretscham einrichten, Bier brauen, eine Mühle anlegen evtl. Brot- oder Fleischbänke einrichten. Diese Regelungen waren örtlich verschieden. In unserem Ort gehörte zum Scholzenrecht die freie Schaftrift für 200 Schafe auf der Gemeindeweide. Dem Grundherrn mußte er bei Bedarf ein Pferd zur Verfügung stellen, ihn beim "Dreiding", dem jährlich dreimal tagenden Gericht, bewirten und bei den Bauern den Grundzins einsammeln. Die Erblichkeit des Scholzenamtes wurde später weitgehend abgeschafft. An seine Stelle trat der "Setzscholze", der also eingesetzt wurde. Aus dem Scholten entwickelte sich in Westdeutschland der Familienname Schulte und im Osten der weitverbreitete Name Scholz mit den vielen Abwandlungen Scholze, Schulze usw.