Erinnerungen an Lauenbrunn von Kurt Schüttler


Scholzen, Amtsvorsteher, Gemeindevorsteher und Gutsvorsteher

Der Scholte

Im Niederdeutschen heisst er Schulte, im Oberdeutschen Scholz oder Schulze, auch Schultheiß (sculthetus); bei der Besiedlung im Osten eingesetzter Dorfältester = Bürgermeister.

Die Scholtisei, der Besitz des Scholzen, war von Zinsen und Zehnten frei. Er durfte bei uns 200 Schafe auf die Gemeindehu­tung treiben und einen Kretscham mit Fleisch- und Backge­rechtigkeit halten. Dafür mußte er den Grundzins der Bauern einsammeln und an den Grundherren abführen, beim "Dreiding" (dem dreimal im Jahr abgehaltenen Gericht) den Gerichtsherren bewirten und im Notfalle dem Herzog mit einem Pferde "von drei Mark" dienen (1).

Dem Scholzen standen die Gemeindeschöffen zur Seite. Sie bil­deten zusammen das niederste Gericht (Ortsgericht). Wie bereits erwähnt (sh. Stanke), war das Freigut die frühere Scholtisei. Als Scholzen werden vor 1692 Christian Faulde und danach Johann Siegmund Tix genannt. Die Erblichkeit des Scholzenamtes wurde 1872 bei der Einführung der neuen Kreisordnung abgeschafft. Pastor Seibt nennt noch 1867 als Gerichtsscholz den Gutsbesitzer Mikesky.

Der Amtsvorsteher

Der Amtsvorsteher wurde in Preußen am 13. Dezember 1872 ein­geführt (2). Bis zum Ersten Weltkrieg gehörten zu unserem Amtsbezirk neben Lauenbrunn und Sackerau auch Raatz, Peters­hagen und Oberjohnsdorf. Nach dem Ersten Weltkrieg nur neben Sackerau noch die Gemeinde Kobelau. Der Amtsvorsteher war Vertreter des Staates und zuständig für Polizei-, Sicherheits-, Ordnungs-, Sitten-, Gesundheits-, Gesinde-, Armen-, Wege-, Wasser-, Feld-, Forst-, Fischerei-, Gewerbe-, Bau- und Feuer­polizeiaufgaben. Im Laufe der Jahre wurden viele dieser Auf­gaben spezialgesetzlich geregelt, in die Zuständigkeit anderer Körperschaften überführt, aber noch bis Anfang der 1930er Jahre war der Amtsvorsteher für die Polizeistunde (Sperrstunde), Führungszeugnisse, das Feuerlöschwesen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständig. Er führte bei Bränden die Oberaufsicht und war den Gendarmen (Landjägern) gegenüber weisungsbefugt.

Von 1890 bis 1905 war Güterinspektor Kuhn, Beamter der Groß­herzoglichen Verwaltung, Amtsvorsteher und von 1906 bis 1919 der Rechnungsführer Melitz, ebenfalls ein Beamter der Gutsherr­schaft. Nach dem Ersten Weltkrieg war Gutsbesitzer Alfred Stanke Amtsvorsteher. Er nannte sich "Oberamtmann". Der Amtsvorsteher war als Vertreter des Staates gegenüber dem Ge­meindevorsteher weisungsbefugt. Letzter Amtsinhaber von Lauenbrunn war Alfred Jockwer in Personalunion mit dem Amt des Bürgermeisters. 

Der Gemeindevorsteher

Nachfolger des Scholzen waren die Gemeindevorsteher, die mit den Schöffen zusammen (heute Ratsherren) die Gemeinde verwalteten. Die Angelegenheiten der Gemeinde, mit denen sie weitere Rechte für ihre Selbstverwaltung erhielten, wurden durch die Landgemeindeordnung vom 3. Juli 1891 geregelt. Im wesentlichen galt sie bis 1935, als mit der neuen Gemeindeordnung auch in den Landgemeinden das nationalsozialistische Recht eingeführt wurde. Danach waren die Bürgermeister nur noch Befehlsempfänger der Regierung. Die Ratsherren (Gemeindevertreter) hatten kein Beschlußrecht mehr, sondern nur noch beratende Funktion. 

Gemeindevorsteher waren in einer bäuerlichen Gemeinde natürlich immer Bauern. Von 1895 bis 1901 war Geppert, von 1901 bis 1904 Gutsbesitzer Berthold Jahn, von 1904 bis wahrscheinlich zum Ende des Ersten Weltkrieges Ernst Trautmann Gemeindevorsteher. Ihm folgte der Bauer Emil Pietsch, der 1933 sein Amt abgeben mußte. Mit dem Nachfolger Alfred Jockwer hatte Lauenbrunn einen Bürgermeister, der wegen seiner loyalen Haltung allen Bürgern gegenüber allseits geachtet und beliebt war. Er verstarb 65jährig im Jahre 1950. 

Der Gutsvorsteher

Die Domänen bildeten früher meist eigene Verwaltungseinheiten und wurden unabhängig vom Dorf selbständig verwaltet. Anstelle des Scholzen und späteren Gemeindevorstehers amtierte der Gutsvorsteher, und die niedere Gerichtsbarkeit wurde von dem Besitzer des Gutes ausgeübt. Diese "Patrimonialgerichtsbarkeit" wurde in Preußen am 5. Dezember 1848 aufgehoben. Die Gutsbezirke bestanden aber weiter bis zum 27. Dezember 1927. 

Gutsvorsteher waren in der Regel die Verwalter des Gutes. Bekannt sind um 1873 Rechnungsführer Kunert, seit 1877 Güterinspektor Sappe, seit 1895 Güterinspektor Kuhn und ab 1906 Herr Melitz, der zugleich Amtsvorsteher war. Der letzte Gutsvorsteher war der Gutsinspektor Hauptmann Hühner. 

Bürgermeister Alfred Jockwer
Bürgermeister Alfred Jockwer