Erinnerungen an Lauenbrunn von Kurt Schüttler


Unser Dialekt 

Die deutsche Sprache entwickelte sich nach dem 8. Jahrhundert aus den fränkischen, sächsischen, baierischen und alemannischen Mundarten. Diese hatten sich in der Zeit der Völkerwanderung, also um 600 - 300 vor Christi, gebildet. 

Der ostdeutsche Stamm der Schlesier bildete sich im 13. Jahrhundert aus Thüringern, Sachsen, Franken, Hessen, aber auch aus Ober- und Niederdeutschen. Die schlesische Mundart ist wiederum keine einheitliche. Aus der Karte "Verbreitung der schlesischen Haupt-Mundarten" wird deutlich, daß bei uns das Gebirgsschlesisch gesprochen wurde; von Ort zu Ort mit unterschiedlicher Betonung und mit verschiedenen Endungen. Schon im benachbarten Zinkwitz konnte man Abweichungen zu unserem Dorf feststellen. Darüber hinaus war unser Dialekt natürlich wie bei allen Sprachen einem ständigen Wechsel unterworfen. 1945 waren den jüngeren Leuten bereits viele Begriffe unbekannt, die noch vor ein oder zwei Generationen Gang und Gäbe waren. 

Der Dialekt ist übrigens nicht etwa eine verwässerte oder verdorbene Schriftsprache und nicht gleichzusetzen mit dem Slang oder Jargon mancher Gegenden, besonders der von Großstädten. Die Mundart war vor dem Hochdeutschen da. Das wesentliche Merkmal unserer Mundart ist die Endung "a" anstelle des "en" wie Schwoalba, Bluma, Toassa und Groaba, dagegen Tische, Stihle, Bänke, Fanster. Auch die Beifügung auf "en" wird mit "a" gesprochen: tiefa, brauna, schwoarza und grußa, dagegen klänn, schinn, grinn. Bei den Selbstlauten gibt es viele Abweichungen:
e wird a = Pferd-Pfard, Leben-Laba, Kalb-Koalb
o wird u = Ofen-Ufa, Stroh-Struh, tot-tut
ö wird i = Knöchel-Knichel, schön-schin, Böhmen-Bima.
Viele Ausdrücke, die es im Hochdeutschen nicht mehr gibt, kennt der Dialekt. Zum Beispiel groasegrin, kroatzblo, feuerrut, kitschegro, hundemiede, spindeldürre, stokfinster, genißlich, schärga. Hier einige Sprüche: War lange ißt, da labt lange. Wie der Herr, a su 's Gescherr. Besser e Oge, wie ganz blind. Am geschenkta Gaul, sitt ma ne eis Maul. Vo der viela Arbt sterbe de Farde. (1) 

Diese kurzen Beispiele können natürlich die schlesische Mundart nur andeutungsweise erläutern. 

Von unseren vielen Mundartdichtern ist der am 24. Mai 1896 in Nimptsch geborene Ernst Schenke in unserer Gegend der beliebteste und bekannteste, vor allem auch deshalb, weil er genau die Sprache verwandte, die wir so gut kannten. Dazu kam bei ihm das gelungene Einfühlen in die schlesische Seele. Am 11. Dezember 1982 ist Ernst Schenke in Recklinghausen, seinem letzten Wohnsitz, verstorben. 

Der Dichter lebte in ärmlichen Verhältnissen. Sein Vater war Schneidermeister in Nimptsch und konnte dem Sohn kein Studium finanzieren. Er ging deshalb bei seinem Vater in die Schneiderlehre. Bereits 1912 erschien sein erstes Gedicht. Ernst Schenke nahm am Ersten Weltkrieg teil und mußte auch noch im Zweiten Weltkrieg einrücken und Kriegsgefangenschaft und Vertreibung erleben. Seine vielen Mundartbücher sind jetzt wieder überall zu haben. Eines seiner Gedichte möchte ich an den Schluß dieses Kapitels stellen.

Derrheeme

Wie schien läßt sichs derrheeme
Eim weecha Groase ruhn,
Wie nicka zengs die Beeme:
Ruh aus mei Suhn.

Maibluma blühn und kühle
Zieht durch a Puusch die Luft,
Eim Grunde gieht die Mühle,
Derr Guckuck rufft.

Die bunta Hühnla gackern,
Die Gansla kumma har,
Und Pauern sah iech ackern,
Lang naus und quar.

Viel liebe, ale Leute,
Die reecha merr die Hand,
Und schiene, junge Bräute
Giehn stulz durch's Land.

Und Kinder hoot 's und Kalbla
Und Schäfla, weiß udn groo,
Und satt ock, goar die Schwalbla
Sein wieder doo!

lech hoa ei fremda Ländern
Miech reichlich ümgesahn,
Mir ies - iech koans nich ändern,
Nischt droan gelan.

Woas die durt draußa macha,
Macht miech nich fruh,
Hurch, wie die Schwalbla lacha!
Die wissa 's ju.

Die Verbreitung der schlesischen Haupt-Mundarten

Karte aus dem Kalender 'Der gemmittliche Schläsinger' 1986
Karte aus dem Kalender "Der gemmittliche Schläsinger" 1986