Erinnerungen an Lauenbrunn von Kurt Schüttler


Der bäuerliche Alltag 

Der größte Teil unserer Dorfbewohner war entweder als selbständige Landwirte oder als Arbeitnehmer in landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt und in den bäuerlichen Alltag eingebunden. Aber auch für die nicht in der Landwirtschaft Tätigen galten die meisten Regeln des täglichen Lebens innerhalb der Dorfgemeinschaft, von denen hier einige geschildert werden. 

Mit dem Landleben verbunden war in erster Linie das frühe Aufstehen, und anstelle des heute üblichen acht Stundentages ein langer Arbeitstag, der im Sommer um 4.30 Uhr begann und gegen 20.00 Uhr endete, also ca. 16 Stunden dauerte. Davon gingen nur die kurzen Essenspausen ab, wobei in der Mittagsstunde auch noch das Vieh gefüttert werden mußte. 

Während der Bauer und die männlichen Arbeitskräfte als erste morgendliche Tätigkeit für das Futterholen sorgten, bei der im Osten üblichen Stallfütterung eine umfangreiche Arbeit, waren die Bäuerin bzw. deren weibliche Hilfskräfte mit der Haus- und Stallarbeit beschäftigt. Das erste Melken, als Hauptaufgabe der Frauen, erfolgte ebenso wie das Futterholen und Füttern noch vor dem gemeinsamen Frühstück. Im Sommer ging es dann zwischen 6.00 und 7.00 Uhr zur Feldarbeit. Das zweite Frühstück wurde zum Feld gebracht, und um 11.00 Uhr begann die bis 13.00 Uhr dauernde Mittagszeit. Größere Betriebe hatten für die Milchviehversorgung besondere Melker oder Schweizer wie man sie bei uns nannte. 


Ernst Schlotte mit Familie und Helfern bei der Kartoffelernte
Ernst Schlotte mit Familie und Helfern bei der Kartoffelernte


Irmgard und Elly Schlotte beim Rübensäen
Irmgard und Elly Schlotte beim Rübensäen


Dömelt Ernst, Dömelt Max und Dömelt Johanna mit dem Bindemäher. Im Hintergrund der Buchwald.
Dömelt Ernst, Dömelt Max und Dömelt Johanna mit dem Bindemäher. Im Hintergrund der Buchwald.

In der Ernte, während der meist zusätzliche Arbeitskräfte neben dem ständigen Personal auf dem Bauernhof mithalfen und die Arbeit noch strammer als sonst angefaßt werden mußte, gab es öfter in der Woche gutes und kräftiges Essen in Form von Schweinebraten, Klößen und Sauerkraut. Bauernfamilie und Personal aßen die gleichen Speisen, meist auch im gleichen Raum. 

Während der Wintermonate waren die Arbeitszeiten kürzer als im Sommer, entsprechend später begann das Tagewerk. Die Glocken der Dorfkirche hatten zu bestimmten Zeiten nicht nur die Funktionen für den Gottesdienst zu übernehmen, sondern auch mittags und abends Beginn und Ende der Arbeit zu verkünden. Sie waren weithin auf den Feldern zu hören, und besonders das Feierabendläuten wurde oft sehnsüchtig erwartet.    

Das Brot,

meist Hauptbestandteil der Mahlzeiten am Morgen, zum zweiten Frühstück, zur Vesper am Abend, wurde bis in die 1930er Jahre in den Landwirtschaften alle zwei bis drei Wochen selbst im eigenen Backofen gebacken, wobei man den Teig am Abend vor dem Backtage mit den "Woulgern" - vom letzten Backen jeweils aufbewahrte Teigreste - einrührte. Das Roggenmehl aus der eigenen Produktion wurde später den ortseigenen Bäckern geliefert, die dann dafür die großen 5-Pfund-Brote ins Bauernhaus lieferten. Natürlich hat man auch früher an den großen Festtagen wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten die Streußel- und Mohnkuchen usw. selbst gebacken.   

Das Schweineschlachten 

war oft ein kleines Fest, vor allem in den Betrieben und Familien, die während des Jahres nur ein oder zwei Schweine schlachteten. Am Schlachttage, an dem das Fleisch sofort verarbeitet wurde - es begann immer in der kalten Jahreszeit - kam der Hausschlachter in das Haus. Gute Freunde, Nachbarn oder zufällig einkehrende Gäste wie der Briefträger, wurden zum Wellfleisch bzw. zur Wellwurst eingeladen und bekamen auch etwas mit. Für die Kinder war das "Schlachten" immer ein besonderes Ereignis. Bekannt ist der Entschuldigungsbrief der Mutter an den Lehrer: 

"Daß mein Sohn Fred Petermann
die Schule nicht besuchen kann
weil wir Schweineschlachten hoan
das zeiget ganz ergebenst an
verwitwete Frau Petermann." 

Ein großer Teil des nicht sofort verarbeiteten Fleisches wurde früher eingekocht, später in Dosen konserviert bzw. nach dem Pökeln durch Räuchern haltbar gemacht, damit der Vorrat für die langen Wintermonate und darüber hinaus ausreichte. Das Essen auf den Bauernhöfen und bei den Handwerkern und Arbeiterfamilien war erst in der neueren Zeit meist reichlich und gut. Besonders an den Abenden wurde auch bei uns noch in den 1930er Jahren die Kartoffel als Bratkartoffel anstelle von Brot gegessen, und an die Stelle von Butter trat oft der Quark. Sehr üppig war das Essen an den Festtagen, und die meisten schlesischen Familien essen aus Tradition auch noch nach 40 Jahren der Vertreibung ihre altbekannten Gerichte. Wie diese "Gerichte" vor etwa 200 Jahren aussahen, können wir dem "Urbarium" (1) der Gemeinde Olbersdorf entnehmen. Dort ist der Speisezettel einer ganzen Woche aufgezeichnet. 

"Sonntag: 
Zu Mittage bekommt jede Person für Neun Heller Fleisch und Vier Personen Ein gehäuft Maaß Gerstenmehl zu Klößeln, vorhero eine Suppe von Fleischbrüh mit Einbrocke-Brot und ein Gerichte Erbßen oder Sauerkraut. Abends Ein Gerichte Erbßen und auf jede Person Ein Quart Milch, so zum Sieden hält, zur Suppe. 

Montag:  
Zu Mittag, Ein Gerichte Grauppe und Ein Gerichte Erbßen. Abends Ein Gerichte Grieß in Milch gekocht, wo auf die Person ein Halb Quart Milch gegeben wird und ein Gerichte Sauerkraut. 

Dienstag:
Zu Mittage Ein Gerichte Grauppe und Ein Gerichte Erbßen. Abends: Zwei gehäufte Maaß Gerstenmehl zu Klößeln und Ein Gerichte Sauerkraut, desgleichen ein Halb Quart Milch auf jede Person zur Tunke auf die Klößel. 

Mittwoch:
Zu Mittage Ein Gerichte Erbßen und Ein Gerichte Grauppe. Abends: Ein Gerichte Grieß in Milch gekocht, auf die Person Ein Halb Quart Milch und Ein Gericht Sauerkraut. 

Donnerstag:
Zu Mittage auf Vier Personen Ein gehäuft Maaß Gerstenmehl zu Klößeln und jede Person Ein Halb Quart Milch zur Tunke, desgleichen Ein Gerichte Sauerkraut. Abends: Ein Gerichte Erbßen und Ein Gerichte Grieß mit Milch gekocht, in Ermangelung der Milch wird Butter zur Woche gegeben. 

Freitag:
Zu Mittage Ein Gerichte Grauppe und Erbßen. Abends: Ein Gerichte Grieß in Milch gekocht nach obigem Satze und Ein Gerichte Sauerkraut. 

Sonnabend:
Zu Mittage Ein Gerichte Erbßen und Grauppe. Abends: wie am Freitage." 

Das Dreschen

spielte früher während des Herbstes und Winters eine wichtige Rolle. Anfangs mit einfachen von Göpeln getriebenen Maschinen, wobei anschließend mit "Pleudern" noch ein Reinigungsvorgang erfolgen mußte. In den letzten Jahrzehnten verfügten die meisten Landwirte über moderne Reinigungsdreschmaschinen mit Elektroantrieb, denn die technische Ausstattung der Betriebe unseres Raumes befand sich auf anerkannt hohem Niveau. Die ertragreichen Weizen- und Zuckerrübenböden, die Stallfütterung und nicht zuletzt der Fleiß aller Bürger hatte dazu geführt, daß auch schon verhältnismäßig kleine Landwirtschaftsbetriebe mit 5 - 10 ha Betriebsgröße gut existieren und ihre Familien ernähren konnten. 

Das Flegeldreschen 

wurde nur noch bis in die 1930er Jahre gehandhabt, um Langstroh für die Herstellung von Strohseilen, die zum Binden des Getreides benötigt wurden, zu erhalten. Mit den modernen Bindemähern wurde auch diese Art des Dreschens überflüssig. Die Dreschflegel waren noch auf allen Bauernhöfen zu finden und die Kunst, im Takt von zwei, drei oder mehr Männern zu dreschen, mußte gut geübt sein. An viele schwierige von Hand auszuführende Arbeiten, zu denen auch das Getreidemähen gehörte, erinnern sich heute nur noch die Älteren mit gewisser Wehmut.   

Das Federnschleißen 

gehörte wahrscheinlich zu den Tätigkeiten, die nur in den Ostgebieten verbreitet waren. Das dort im Winter vorherrschende Kontinentalklima mit seinen tiefen Minustemperaturen erforderte schon immer den Wärmeschutz, der am besten mit Federbetten erreicht wurde. Gute Federbetten aus "handgeschlissenen" Federn bildeten den Stolz aller Hausfrauen, und oft war das Federbett das einzige Stück, das die Eltern ihrem Kind mitgeben konnten. Gänse, aber auch Enten wurden deshalb weitgehend zur Erlangung von Federn gehalten. Sie wurden nicht nur von den geschlachteten Tieren gewonnen, sondern schon von den lebenden Tieren durch das "Beraumen". 

Im Winter fanden sich in den von Kachelöfen gut geheizten Stuben neben der ganzen Familie auch die Frauen und Mädchen aus der Nachbarschaft ein, um bei dieser zeitraubenden Arbeit zu helfen. Nach dem Abschluß der oft wochenlangen Gemeinschaftsarbeit wurde der "Federball" mit Kaffee und Kuchen gefeiert.  

Federschleißen bei Klimm
Federschleißen bei Klimm
Die Frauen Klimm, Marquardt, Metzner und Hammer. Die Kinder Schreiber G., Metzner W., Klimm H., Metzner H. Oben: Klimm H., Klimm M., und auf dem Ofen Klimm K.


Der Steinmühlteich mit den Häusern Siegert und Gustav Herrmann
Der Steinmühlteich mit den Häusern Siegert und Gustav Herrmann


Herbert und Walter Wuttke bei der Getreideernte mit dem Bindemäher
Herbert und Walter Wuttke bei der Getreideernte mit dem Bindemäher