Erinnerungen an Lauenbrunn von Kurt Schüttler


Gewerbebetriebe 

Der Kreis Frankenstein war überwiegend ländlich strukturiert, und besonders unser Dorf war ein reines Bauerndorf mit nur wenigen Gewerbebetrieben. Die Statistik über die Beschäftigten des Jahres 1939 (sh. bes. Übersicht) weist insgesamt 631 Personen aus, die am 17. Mai 1939 in Industrie und Handwerk beschäftigt waren. Das täuscht und scheint widersprüchlich zu sein, hängt aber damit zusammen, daß eine Anzahl Berufstätiger außerhalb des Dorfes in Gewerbebetrieben beschäftigt waren. Die größeren Gewerbebetriebe wie das "Nickelwerk", die Zuckerfabriken, die Steinbrüche in Schmitzdorf und die Gewerbebetriebe in der Kreisstadt wurden von vielen Dorfbewohnern täglich mit Fahrrad, Motorrad oder Eisenbahn aufgesucht. Es gab also damals bereits viele Arbeitnehmer, die man heute als Berufspendler bezeichnet. Deshalb der scheinbare Widerspruch zu der obigen Aussage. 

Ärzte, Apotheken, Molkereien und andere besonders große Gewerbebetriebe waren allgemein in den Städten ansässig. Auch Wochen- und Jahrmärkte wurden ausschließlich in den Städten abgehalten. Unser Dorf mit seiner verhältnismäßig großen Einwohnerzahl hatte im 15. und 16. Jahrhundert einen Markt. Herzog Albrecht und George Karl von Münsterberg verliehen das Marktrecht 1502 Hertwig von Seidlitz und dessen Brüdern im Lehnsbrief. Der Text lautet: 

"Auch haben wir eigentlich und glaubwürdigen Bericht, daß vor alten jahren alweg in der Woche einen Tag als nemlich, auf Sonnabend ein Wochen-Marckt und sonderlich ein Saltz-Marckt gehalten sei -solchen "wochen-Margt und Saltzmarckt" wir auf ein neues verneuern, befestigen und bestetigen." 

Das nachstehend abgedruckte Verzeichnis ist ein Auszug aus dem 1940 herausgegebenen "Deutschen Reichsadreßbuch für Industrie, Gewerbe, Handel". 

Die Einträge werden hier wörtlich wiedergegeben. (1) 
Das Verzeichnis führt auch Ärzte und Tierärzte mit auf, die nach der eigentlichen Definition keine Gewerbebetriebe waren. 

LAUENBRUNN. Gemeinde.Reg.Bezirk Breslau, Krs. Frankenstein, Amtsgericht Münsterberg, Landgericht Glatz, HK Schweidnitz. 1562 Einwohner. Eisenbahn: Kleinbahnstrecke Frankenstein -THeinrichau u.T. -Kurtwitz. Post-Telegraphenamt-Fernsprechamt über Frankenstein (Schles.) Ev. Kirche. 

Ärzte: Schökel, W., Ps 23020 Br. 
Tierärzte: Wischhuesen, Ps. 56509 Br. 
Apotheken: Apotheke und Drogenhandlung Kurt Maniura, Tel. 60, Postscheck. 12079 Br. 

Bäcker: Instinsky, O. Tel. 50 - Ludwig, O. Tel. 54
Baugeschäfte: Müller, Max, Tel. 39
Böttcher: Fischer, Richard
Dachdecker: Hartwig, M. Tel. 18, Ps. 29391 Br.
Dreschmaschinenverleihanstalt: Schipke, Friedr. Tel. 22
Elektr. Installationen: Bogedaly, Frdr., Tel. 48 -Wystrach, Leo Tel. 21 
Fahrradhandlung: Herzog, K. Tel. 29, Mai R. Tel. 38 
Fleischer: Geppert, E. Tel. 33 -Hellmann, Ida - Lampel G. Tel.32
Friseure: Schneider - Schüttler - Thiel
Gartenbaubetriebe: Herzog - Schmidt Erben, M. 
Gasthöfe: Goldene Krone (H. Unverricht), Tel. 28 - Jesdinsky's Erben- Stern (Ernst Lämmchen), Tel. 40 

Geldinstitute: Spar- und Darlehnskasse EGmuh, Tel. 36, Ps. 70620 Br. 
Gemischtwaren: Bogedaly, Wanda - Dinter, Emma - Jäschke, Selma - Kober, Elfriede, Tel. 13 - Kretschmer, G. Ps. 47042 Br. Minge, Edith Tel. 46 

Getreide: Schmidt & Söhne, Fritz (Zentrale in Strehlen Schles.), Tel. 42 
Klempner: Barude, H., Ps. 55478 Br. 
Molkereien: Molkereigenossenschaft EGmbH Tel. 64
Mühlen: Fellmann, Meta, Tel. 46 - Unverricht 
Obst und Gemüse: Märsch, Obst- u. Gemüsegroßhflg., Emilie, Tel.65 
Sägewerke: Müller, Max, Tel. 39 
Sattler: Frieben - Meier, Erhard 
Schmiede: Braunsdorf - Steiner - Zörnig, Franz
Schneider: Krause, Jos. - Schulz, F. - Urban, P.
Schuhmacher: Czycz, P. - Petermann - Treffke, Heinr.
Stellmacher: Granz, W. - Pietsch - Scholz - Taux, Rich.
Tischler: Köpper, P. - Wersich, H. 

Die Stellmacherei Scholz
Die Stellmacherei Scholz

 

Die Mai-Schmiede im Niederdorf vor dem Ersten Weltkrieg
Die Mai-Schmiede im Niederdorf vor dem Ersten Weltkrieg

 

Lagerräume der Firma Weigelt, Feldscheune des Stanke-Gutes, Kirche mit Friedhof
Das Foto von der Bahnhofstraße zeigt im Vordergrund die Lagerräume der Firma Weigelt, im Hintergrund die Feldscheune des Stanke-Gutes, Kirche mit Friedhof und am Horizont den "Wäldchenberg".

 

Die Handwerker und Gewerbetreibenden unseres Dorfes waren in einer eigenen Handwerkerinnung zusammengeschlossen. Das war völlig unüblich, und deshalb war die "Kombinierte Handwerkerinnung Tepliwoda" in zweifacher Hinsicht weit und breit als Seltenheit bekannt. Einmal, weil die verschiedensten Berufe, also Fleischer, Bäcker, Schuhmacher, Stellmacher usw. in einer Innung zusammengeschlossen waren und zum anderen, daß ein Dorf eine Handwerkerinnung hatte. Das alte Innungs- und Zunftwesen kannte nur nach Berufen gegliederte und in Städten existierende Innungen und Zünfte. Das hing auch mit dem Meilenrecht zusammen (Preußische Landmeile 7,5 km seit 1868). Danach durften im Umkreis einer Meile der jeweiligen Stadt keine Handwerker ansässig sein. Ausgenommen waren nur einige Berufe, die direkt für die Bauern tätig waren. 

Um die Jahrhundertwende und danach war der Fleischermeister Hermann Lampel Vorsitzender der Innung. Bis zu ihrer Auflösung, Anfang der 1930er Jahre, führte Bäckermeister Oskar Ludwig den Vorsitz. Die Innung beteiligte sich neben ihren eigentlichen Aufgaben auch am gesellschaftlichen Leben der Gemeinde und veranstaltete jährlich ein öffentliches "Tanzvergnügen", zu dessen Einleitung ein von den Mitgliedern eingeübtes Theaterstück aufgeführt wurde.